Begegnungstag 2018 in Netstal

Netzbraten im Netstaler „Bären“ am Sonntag, 2. September 2018

Trudy Imhof-Müller und der Appenzellerverein Glarnerland luden die in der schweizerischen Diaspora wohnenden Landsleute zum traditionellen Begegnungstag nach Netstal (seit 2011 Teil der Grossgemeinde Glarus) ein. 88 leisteten der Einladung Folge; sie haben ihr Kommen, bim Strohl, nicht bereut, auch wenn der „Zigerschlitz“ meist Nebel verhangen war und die Anreise für einige länger dauerte als geplant. Doch ist nicht der Weg Ziel? Eben.

Kurz nach dem Hauenstein-Tunnel kam der Zug zum Stehen. Wegen eines Personenunfalls in Dulliken blieb die Strecke zwischen Olten und Zürich gesperrt. Die Komposition mit den Mitglieder von „appenzellbern“ wurde via Luzern und Zug nach Thalwil umgeleitet; wir aus der Nordwestschweiz fuhren nach einem recht langen Aufenthalt fast auf der Aare-Brücke zurück nach Pratteln. Dort wurde gewendet; dann ging es durchs Fricktal und den Bözberg-Tunnel „süferli“ Richtung Zürich. Immerhin sahen wir so jenseits des Rheins in Säckingen die beiden Türme des Münsters, das dem Hl. Fridolin, Landespatron von Glarus, geweiht ist und wo drum in alten Zeiten die Glarner den Zehnten in Form von mit Kräutern haltbar(er) gemachtem Ziger entrichtet hatten. Thematisch passte der Umweg also auf jeden Fall.

 

In Thalwil stiess der Berner Schuppel zu uns. An der Bettwarenfabrik am Zürichsee vorbei, erreichten wir nach der March Ziegelbrücke und trafen, wie die alte Fasnacht, mit einer guten Stunde Verspätung schiesslich doch noch in Netstal ein: Ankunft 11.11 h auf Gleis 1.

Den Rundgang rund um Netstal verpassten wir, leider auch das Stählihaus, aber immerhin reichte es uns grad so noch zum Apéro im Schulhaus. (Herrlich, das Birnenbrot mit Ziger!)

Auf dem Pausenhof des fast 150-jährigen Schulhauses erwartete uns „Schagg Lüüziger“ (amtlich & bürgerlich: Jakob Leuzinger). Es sollte ein knapp halbstündiges Feuerwerk an Anekdoten und Histörchen aus dem ursprünglich dreifaltigen, später dreieinigen Dorf am Löntsch-Ufer folgen. Bestes Infotainment!

Als Allererstes räumte er auf mit der Mär, der älteste Glarner sei der Föhn, und stellte richtig, dass es zwei Brüder seien, der „Niid“ und der „Chiib“. (Die gäbe es zwar an anderen Ort auch.) Er sprach über die Ökonomie, „Chalchi“, „Stöckli“ und den Klöntalersee. Seit 1862 bis vor knapp fünfzig Jahren sei von dort Eis in alle europäischen Metropolen transportiert und weiland oft 300’000 Franken Gewinn p. a., ein rechter Batzen, „generiert“ worden. So konnte man also auch in Marseille oder in Köln in den heissen Sommern sein kühles Bier geniessen. Überhaupt seien die Glarner, zuvorderst die „Geissrippi“, so der Spitzname für die Leute von Netstal, halt schon immer schlaue Köpfe gewesen und stark dazu.

„Schagg“ gab sogar ein Müsterchen zum Besten, das einen Bezug zum Appenzellerland aufwies. Allerdings erwähnte er dabei den in Netstal geborenen, doch in der Grub/AR heimatberechtigten Schriftsteller Ludwig Hohl mit keinem Wort. Dafür erzählte er genüsslich die Episode vom „starken Leuzinger“, der einen Appenzeller, der ihn herausforderte und sich mit ihm messen wollte, so „choge“ weit ins Feld hinaus schleuderte, dass selbiger Fersengeld gab und sich kleinlaut wieder in den Alpstein zurückzog. Das war zwar recht lustig, aber gewurmt hat mich schon, dass der Appenzeller ausgerechnet Ueli heissen musste – wie unser Landesheld und der berühmteste Landammann aus meinem Stamm, von der Girtanne in Wald/AR.

In einem kleinen Land ist der Nachbar bekanntlich stets der erste Fremde. Nicht anders in Netstal, wo oben im Klöntal ennet dem Pragelpass (Suworow zog auch darüber!) Bisisthal liegt. Dort heissen die Leute Betschart, Gwerder oder Schelbert und nach einer Scheidung seien die Eheleute einfach wieder Bruder und Schwester. Und wie sagt in Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ doch bereits der Auf der Maur: „Ja, wir sind eines Herzens, eines Bluts.“

„Schagg Lüüziger“ hätte wohl noch viel Lustiges und Nachdenkliches zu berichten gehabt, aber es begannen die Glocken der beiden Kirchen zu läuten. „High Noon“. 12 Uhr mittags – und in den Glockenklang hinein nahm das ad-hoc Chörli aus Winterthur, Bern und Basel ein Zäuerli. Damit dankten wir Jakob Leuzinger von Herzen für die amüsante halbe Stunde.

Es ging in den „Bären“.

Charmant und „tifig“ servierten uns Marianne, Martina, Nada und Heidi einen feinen gemischten Salat, danach Schweins- und – endlich! – den lang ersehnten Netzbraten mit Gratin und einem bunten Gemüsebouquet. Ruhe kehrte ein. Man ass. Man trank. Man genoss.

Später spielte das Ländlertrio „Balmhöckler“ (Rees Gwerder zu Ehren?) manches Musikstückchen im „Illgauer Stil“. Anders als Bisisthal ist Illgau zwar nicht mehr im Muotatal, aber fast … Die Örgelimusik war so dezent, dass man sich an den Tisch trotzdem gut unterhalten und somit den eigentlichen Sinn des Begegnungstages erfüllen konnte.

Dessert gab es auch, zuerst kulinarisch, Glacé mit Obst und als Herbstgruss einer halben Zwetschge, später musikalisch, als das bereits erwähnte ad-hoc Chörli u. a. „Obe(r)s Älpli“ ins „Gerschtegschwend“ fuhr und den Auftritt mit einem grandiosen „Deidideli“ abschloss.

Grosse Reden wurden keine geschwungen.

Obmann Hans Höhener bedankte sich herzlich beim Appenzellerverein Glarnerland für den abwechslungsreichen Begegnungstag, kündigte an, dass der nächste im 2019 wie gewohnt am 1. Sonntag im September stattfinden werde, bedauerte allerdings gleichzeitig, dass sich bis dato noch kein Verein bereit erklärt habe, diesen doch sehr „gmögigen“ Anlass zu organisieren. Aber man sei als Appenzeller ja pragmatisch und schaffe das schon.

Vreni Preisig informierte über „Meedle, Possli ond Schötze“, das Grosse Appenzeller Konzert am Sonntag, 4. November 2018, in der Offenen Kirche Elisabethen Basel, „starring“: Schötze- & Buebechörli Stein AR und Streichmusik Vielsaitig aus Appenzell.

Um 16.19 Uhr, der Wiggis noch immer im Nebel, doch mindestens hat es keinen Tropfen geregnet, fuhr der „Glarner Sprinter“ pünktlich in Netstal ab. Bis auf Zürich hatte man noch gut Zeit und Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. So erfuhren wir unterwegs (fast) die ganze spannende Lebensgeschichte von Otto Kellenberger, einem Oberegger (sic!) in Bolligen bei Bern. Nur Begegnungstage machen so etwas möglich.

An Dulliken vorbei und zum dritten Mal an diesem Sonntag durch den Hauenstein-Tunnel erreichten wir gegen halb sieben Basel SBB. Trotz der langen und mitunter ein wenig umständlichen Reise auf jeden Fall beglückter als mancher FCB-Fan, der uns nach dem mageren 1 : 1 gegen den FC Thun am Bahnhof entgegen kam.

Willi Schläpfer

von Wald/AR, in Basel

Rund um Netstal

Warten auf den Netzbraten

   

Ohne Worte – Naturjodel

Zwar kein „Hierig“, aber trotzdem …

Bilder: Jakob Bodenmann

 

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